29 - Carriacou
Eintreffen, ankern und geniessen
Als wir in die Tyrell Bay reinfahren, staunen wir über die vielen Boote hier vor Anker. Viele sind, wie wir schon öfters gesehen haben, unbewohnt. Sie wurden auch schon lange nicht mehr bewegt; der Rumpf und die Ankerkette sind voll grünem Bewuchs.
Die Bucht ist gross und schön halbrund. Hier liegen wir geschützt und ruhig. Auf der einen Seite ist die alte kleine Marina mit einem kleinen Laden, daneben die Büro von Customs und Immigration.
Auf der anderen Seite der Bucht wird fleissig an einer neuen Marina mit Servicestation gebaut. Auch ein Marina Budget-Shop darf nicht fehlen; er wird Ende Januar 2020 eröffnet.
Der Ort liegt in einer grossen Ebene, zum Strand hin stehen vor allem kleine Bars für die Segler, kleine Läden und ein paar Supermarkets (allerdings dürfte sich nur einer davon so nennen). Wir merken gleich, es ist teurer als auch schon. Die Auswahl ist allerdings erstaunlich gross.
Wie triffst du die Einheimischen?
Grosse Lust, der Strasse entlang Richtung Hillsborough zu laufen, haben wir nicht. Aber so kommen wir direkt durch die Gebiete, in denen die Leute wohnen und leben. Früh starten wir unseren Walk. Es ist schon viel los, alle nutzen den kühlen Morgen. Vorbei an herrlich farbigen Häusern entdecken wir viele Einzelheiten an den Gebäuden, oder kleine Einkaufsläden. Die alten Menschen sitzen bereits auf ihren Terrassen und winken uns grüssend zu. Wir sind erstaunt über diese Freundlichkeit hier. Auf der nächsten Insel in Union Island vermissen wir dies sehr. Es sind längst nicht alle Inseln gleich!
Eine Primarily School – hier findet gerade das Morgenritual statt. Alle Kinder in ihren Schuluniformen stehen vor dem Leiter und hören zu. Von einem Einheimischen erfahren wir, dass sich bei Hurrikanwarnungen alle Menschen in der Schule oder Kirche treffen, um den Sturm abzuwarten. Schutzkeller gibt es keine.
An der Strasse steht eine ältere Frau, die uns von weitem schon mit ihrem freundlichen Lächeln begrüsst. Sogleich sucht sie das Gespräch und erzählt von ihrem Leben. Sie hat ihr Arbeitsleben in New York verbracht. Ihren beiden Töchtern ermöglichte sie so eine gute Ausbildung. Eine lebt heute ebenfalls in New York und die andere sogar in der Schweiz (in Genf). Die Frau, Bernadine, ist herrlich erfrischend. Ihren Lebensabend verbringt sie wieder zuhause in Carriacou, in ihrem Haus mit grossem Garten. Sie pflanzt viel eigene Früchte und Blumen an.
Etwas weiter lernen wir einen Rasta-Man kennen. Seine Haare sind hüftlang! Er hat ein sehr schönes Gesicht und sehr sympathische Augen. In seiner Hütte verkauft er unter anderem Kokosnüsse. Die Aussenwand ist mit einem grossen Wandbild geschmückt – es zeigt ihn. Gleich nächste Woche kommt der Künstler wieder vorbei und macht aus dem verblichenen Bild wieder ein kräftiges.
Eintreffen im grössten Ort in Hillsborough und schon werden wir aus einem sehr alten Haus mit viel Patina angesprochen. Ein Schreiner hat sich dort eingemietet und schätzt ein kleines Gespräch mit uns Touristen, er winkt uns zu sich heran.
Nein, wir lernen nicht die ganze Insel kennen 😊 Aber diese drei Beispiele zeigen sehr deutlich, wie freundlich und offen man hier mit fremden Menschen ist. Und sie ist echt, das spüren wir. Keiner der drei hat uns nach Geld gefragt. Oder uns zum Kaufen aufgefordert. Nur geredet und gelacht. Wie gesagt, auf anderen Inseln ist dies anders!
Hillsborough ist echt farbig. Und sehr quirlig. Draussen findet es statt, das Leben.
Allerdings sehen wir auch viel Armut.
Wilder Strand für uns allein
Ein anderer Weg führt uns über den Hügel auf die Luvseite der Insel, der windzugewandten Seite. In der Karte sind zwei Sehenswürdigkeiten eingezeichnet. Old Mill und Old Lime Factory. Old Mill finden wir gar nicht – oder waren es die beiden zerfallenen Mauern? Und die Old Lime Factory ist eingezäunt, wir sehen sie nur von weitem. Normalerweise hätte ich ein Loch im Zaun gesucht. Zu viele Fotomotive warten in so alten Fabrikgebäuden. Aber es hat so beschädigt ausgesehen, dass wir uns nicht getraut haben. Wäre wohl ziemlich gefährlich gewesen. Wahrscheinlich deshalb auch der äusserst gute Zaun!
Dafür finden wir den Strand. Wild. Rauh. Mit viel Strandgut. Gebleichte Baumstämme, angespülte Korallenstücke, und leider auch viel Abfall.
Dieser Abfall schockiert uns später, als wir zur Strasse hochlaufen und an der Abfallhalde vorbeikommen. Es stinkt scheusslich und mitten im Gräuel stehen doch 5 Rinder und suchen etwas zu essen!! Wir finden keine Worte, sind einfach nur schockiert. Ein Problem mehr: die Abfallentsorgung. Auch darüber könnten wir stundenlang ohne Ergebnis diskutieren. Ist auf der ganzen Welt nicht wirklich gelöst. Aber wir entdecken trotzdem, dass die Inselbevölkerung sensibilisiert ist und mit Schildern überall auffordert, den Abfall in die bereitstehenden Kübeln zu entsorgen: «Gebt sorg zu unserer Insel».
Traditionelle Bootsbauer
Für 200 EC$ (ca. EUR 66 für zwei Personen) kannst du eine Tour buchen. Sie zeigen dir die traditionelle Bootsbauweise von Carriacou. Das machen wir nicht. Mit dem Bustaxi fahren wir nach Winward. Dort gehen wir zu Fuss der Küste entlang und treffen die traditionellen Bootsbauer. Genau ein Boot sehen wir. Es steht mitten an Land, umgeben von Gebüsch, herumliegendem Material und kleinen Palmen. Davor das Meer. Alles sehr einfach und dreckig. Ein Mann erzählt uns, dass das neue Boot mit einer aufwendigen Zeremonie ins Wasser gelassen wird. Stück für Stück. In einem Monat. Wir staunen. Das Boot sieht gar nicht so neu aus. Eher mässig restauriert. Na gut.Hier wird einfach aus allem eine gute Story gemacht.
Ausserplanmässige Segellektion
Uns zieht es weiter. Wir klarieren aus, tanken noch zollfreien Diesel an der Tankstelle in der Marina und fahren raus aus der Bucht. Die Sandy Island neben Carriacou ist unser Ziel. Nach der Insel taucht sie auf, wir sehen sie schon. Doch da stottert auf einmal der Motor, läuft unruhig und offensichtlich nicht auf allen vier Zylindern. Dann stellt er ab. ☹☹
Oh, Nein. Das ist Horror für ein Boot. Ich gestehe, ich habe kurz Angst, das kenne ich noch nicht. Aber wir sind ja ein Segelboot und es hat genug Wind, um diese Situation in Griff zu bekommen. Ruedi als erfahrener Seemann bespricht ruhig und sicher die weitere Vorgehensweise mit mir. Wir entschliessen uns, zurück in die bekannte Tyrell Bay zu segeln – dort kennen wir die Situation. Das habe ich noch nie gemacht. Nur mit den Segeln auf ein Ankerfeld zu fahren, zum Stoppen das Boot in den Wind stellen und Anker runter.
Beim Starten des Motors (Anlasser) haben wir die Überwurfmuttern der vier Einspritzdüsen kurz gelöst, um die Luftblasen im System entweichen zu lassen. Wahrscheinlich sind diese Luftblasen beim raschen Auftanken entstanden. Alles geht gut und bereits nach fünf Minuten läuft der Motor wieder rund. Ufff!!!
Also nochmals nach Sandy Island segeln. Eine kleine Insel, nur Sand und ein paar Palmen.
Da wir bereits ausklariert haben, dürfen wir hier nur bis neun Uhr am nächsten Tag bleiben. Dann müssen wir die Gewässer von Grenada verlassen.
Die nächste Insel ist Union Island und gehört schon zu St. Vincent/Grenadinen. Hier klarieren wir in der Clifton Bay wieder ein. Bei einem kurzen Rundgang durch den Ort, haben wir ein paar unschöne Eindrücke von der Bevölkerung hier. Sie scheinen die Touristen gar nicht zu mögen. Noch nie war das Gefühl so stark, nicht willkommen zu sein. Wir bleiben über Nacht in der Bucht und segeln am nächsten Tag weiter.