38 - Guadeloupe IV

Was Langeweile alles hervorbringt!
April 20

Wir wachsen in der Bucht fest

Oh, das tut gar nicht gut! Unser Schiffsrumpf bekommt so ein richtiges Unterwasserfell. Oder einen botanischen Unterwassergarten 😊. Langsam machen sich sogar kleinere Fische auf den Weg dorthin. Ruedi schabt immer wieder die Wasserkante von dem schleimigen grĂŒnen Bewuchs ab. Aber weiter unten wĂ€re dies nicht sinnvoll. Damit der Bewuchs am Schiffsrumpf im Wasser – vor allem in wĂ€rmerem Wasser – nicht Oberhand nimmt und der Widerstand im Wasser nicht zu gross wird, streichen wir ein Antifouling auf. Sobald sich das Schiff bewegt, trĂ€gt es sich in kleinen Schichten automatisch ab (selfpolishing). Doch nun, da wir so lange an einem Ort stillstehen, wĂ€chst es enorm.

‍

Der GĂ€rtner...

‍

Ja, wir sitzen immer noch auf Guadeloupe in der Bucht von Deshaies fest. Aber unsere Gedanken wandern.

Wir stellen uns vor, was unsere Lieben zuhause alles unternehmen. In ihren Wohnungen oder HĂ€usern. Wohin sie spazieren oder einkaufen gehen. Oder ihrer Arbeit im Homeoffice nachgehen; oder normal weiter arbeiten. Es ist FrĂŒhling zuhause, alles blĂŒht und ist herrlich zum Spazieren oder Biken. Wir merken aber gleich, soviel mehr als wir können sie gar nicht tun. Auch sie sind in ihren Aktionen beschrĂ€nkt wie wir und warten. Viele können ihre FerienplĂ€ne streichen, ein Umdenken ist angesagt. Alle mĂŒssen ihre KreativitĂ€t aufspĂŒren, um die Langeweile, das beschrĂ€nkte Tun und die aufkommenden Gedanken in Griff zu kriegen. Trotz dieser Krise findet jeder neue Wege, die mancher wahrscheinlich gar nicht gedacht hĂ€tte. Viele PĂ€rchen oder Familien sind zuhause auf einmal ganz nah beieinander, bei manchen vielleicht zu nah, andere sehen es als Chance und freuen sich darĂŒber. Auch das Diskutieren ĂŒber Sinn und Unsinn der diversen Entscheide tut irgendwie gut. So einfach sind die VorgĂ€nge und ZusammenhĂ€nge nicht, und verschiedene Blickwinkel tun sich da auf. Wir hoffen, dass bestehende AblĂ€ufe, egal ob in der Politik oder in den Firmen selbst, durch dieses unerwartete Ereignis doch auf andere Ideen und Lösungswege bringt. Ob dies das Gesundheitssystem oder das FĂŒhren und Vorausdenken von Firmen (Finanzreserven, Homeoffice, etc.) betrifft, oder der Zusammenhalt unter den Menschen, die FĂŒrsorge, das Miteinander und der Respekt. Oder die LoyalitĂ€t von Staaten und StaatsoberhĂ€uptern!
Da kommt so viel auf im Moment. So viel gibt einem zu denken. Was könnte Gutes daraus gezogen werden? Irgendwie ist der Mensch doch auch dazu da, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen. Nehmen wir diese Herausforderung an und handeln danach? Oder verfallen wir wieder in alte Muster und Riten? Obwohl wir alle im gleichen Boot sitzen, sind die Menschen so verschieden, ob in ihrem Verhalten und Denken oder ihrer Tradition und MentalitÀt, dass man sich wundert, wie diese Menschheit Probleme lösen soll, die alle betrifft. Rund um den Globus.

Je lÀnger es dauert, umso mehr suchen wir Segler den Kontakt zueinander und wagen uns auch mal auf andere Boote, um zu plaudern und zu lachen. Wir sind zusammen seit fast vier Wochen in der QuarantÀne. Es tut unheimlich gut!
Es sind nur drei andere deutsche Boote hier, der Rest sind vor allem Franzosen.Vorsichtig versuchen wir mit unserem bisschen Französisch auch zu ihnen Kontakt zu knĂŒpfen. Ist nicht einfach, geht aber.

Das Chatten mit den Freunden und Bekannten unterstĂŒtzt uns ebenso. FĂŒr uns ist dieses virtuelle Plaudern und Austausch enorm wichtig. So unterstĂŒtzen wir uns gegenseitig mit dem Wissen, nicht allein zu sein! Wir möchten die Beziehungen weiter pflegen und festigen. Wenn auch auf Distanz.

Was fÀllt uns denn alles ein?

Lesen. Sogar Ruedi liest wieder einmal einen Krimi oder so ein komisches Buch mit zwei alten Damen in ihrem HĂ€uschen 😊. Entweder als gedrucktes Buch oder digital. Hauptsache Unterhaltung! Ich bin echt froh, dass ich mein Abo in der Bibliothek zuhause noch aktiviert habe.
Französisch lernen. TĂ€glich nehme ich mir eine Stunde vor, ĂŒbersetze Texte und lerne die neuen Wörter oder SĂ€tze. Gehirntraining. Ablenkung. Etwas NĂŒtzliches machen.
KörperertĂŒchtigung. Yoga – es wackelt auf dem Boot, unser Gleichgewichtssinn wird trainiert. DehnĂŒbungen und Krafttraining – sonst rosten die Muskeln und BĂ€nder noch ein oder schrumpfen weg.
Kochen. Das gibt gute Stimmung 😊. Beim Vor- und Zubereiten und beim Essen. Die Auswahl an GemĂŒse und FrĂŒchte ist hier noch erstaunlich gross, so dass keine Eintönigkeit in der MenĂŒauswahl entsteht.Obwohl – in der KĂŒche wird es wĂ€hrend dem Kochen sehr warm! Aber der Pool wartet ja😊
Einkaufen. Das hat irgendwie schon mehr Spass gemacht. Niemand hĂ€lt an, um ein SchwĂ€tzchen zu machen. Der Abstand wird untereinander immer grösser. Die Gesichter sind vor lauter Mundschutz nicht mehr erkennbar. Wenn die Augen nicht mitlachen, entdeckt man die Freundlichkeit nicht so und trotzdem treffen wir ab und zu sehr freundliche und offene Blicke. Einkaufen ist voll effizient; kurz, zielgerichtet und so selten wie möglich. Es ist lustig, wie im Laden jeder seinen Weg sucht. Immer wieder weicht man im Gang voneinander zurĂŒck und muss gleichzeitig lachen ĂŒber diese komische Situation. Wir sind froh, wenn wir entdecken, dass die Menschen es mit Humor und VerstĂ€ndnis nehmen. Alle sind gleich davon betroffen. Wir halten uns an alle Vorgaben, wir hinterfragen nichts. Wir sind hier Gast.
Dinge flicken. Jetzt ist genau die richtige Zeit, alle provisorischen Konstruktionen, zumindest mal zu ĂŒberdenken. Plötzlich entstehen gute Ideen, welche gerne umgesetzt werden. Die KreativitĂ€t darf sich voll austoben. Und dies alles mit dem Material, das wir gerade an Bord haben. Besorgen geht nicht,da keine SpeziallĂ€den offen haben. So haben wir etwas zu tun und der Tag vergeht positiv.
Wasser machen. Das ist zwar nicht gerade spannend und eher ein Muss, trotzdem ist es sehr wichtig und wir sind sehr froh, dass wir dies selbst machen können und das Wasser nicht vom Land zum Schiff transportieren mĂŒssen. Dazu kennen wir die QualitĂ€t unseres Wassers und das ist gut.
Sonnenschutz aufhĂ€ngen. Das ist ein kleiner Sport. Es hat nicht viel Wind und das Boot dĂŒmpelt so vor sich hin und dreht und dreht. Ihr könnt euch vorstellen, der Sonnenschutz hĂ€ngt immer am verkehrten Ort 😊.
Alles reinrĂ€umen und Luken dicht – es regnet.
Alles wieder rausrĂ€umen und Luken öffnen – es hat aufgehört zu regnen!

Zwischendurch erleben wir aber kleine lustige Momente, wenn wir mal kurz an Land sind:
Zum Beispiel die vielen GĂŒggel und HĂŒhner mit ihren kleinen Bibbeli. Überall tauchen sie auf und wenn sie sich auf der Strasse verweilen, um irgendwelche Körner aufzupicken, dann halten die herannahenden Autos automatisch und geben den Viechern Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Oder die Katzen auf den leeren und stillen Restaurantterrassen. Endlich mal in Ruhe auf dem Tisch liegen!

‍

‍

Beiden kleinen Wanderungen, die wir fast tĂ€glich ausnĂŒtzen, kommen uns immer wieder mal Einheimische entgegen und winken sehr freundlich. Das tut gut.

‍

Steiler Weg nach oben und spÀter wieder nach unten.

Ein kleiner Zebrafink fliegt auf einmal in den Salon und um meinen Kopf rum. Er ist gar nicht scheu, zeigt keine Panik und will unser Schiff zuerst mal inspizieren, bevor er wieder davonfliegt. Herzlich willkommen und danke fĂŒr den Besuch!

‍

Hier sind die Ananas so sĂŒss 😊
Relaxed lesen – einfach herrlich! Mit viel Zeit. Dies tun auch wir zu wenig, denn ĂŒberall gibt es normalerweise ja etwas Neues zu entdecken!
Ostern rĂŒckt nĂ€her. Wir feiern zu zweit 😊. Leider ohne die Schokolade-Ostereier! Die sind uns hier einfach zu teuer.

‍

‍

Wie geht es eigentlich weiter?

Die Hurrikan Saison startet in circa 8-10 Wochen.Im Internet entdecken wir Organisationen aus Antigua (ABMA), Grenada (MAYAG)und Trinidad (YSATT). Sie versuchen Lösungen fĂŒr diese Saison zu finden. Immer wieder besuchen wir sie im Facebook oder auf der Internetseite und schauen, ob es Neuigkeiten gibt.

‍

‍

Übrigens: Der Knoten auf dem Titelbild ist der Mastwurf.

Wollt ihr noch den Palstek probieren?

‍

‍

zurĂŒck