95 - Vanuatu - Tanna

Hölle und Himmel treffen aufeinander.
September 23

Tanna

Was uns in Vanuatu auf der südlich gelegenen Insel Tanna erwartet, ist sehr beeindruckend. Eine gewaltig schöne Vegetation und ein Naturvolk mit äusserst liebenswerten Menschen, die in urchigen Dörfern leben. Sie betreiben Fischfang, Landwirtschaft und pflegen ihre alten Bräuche.

Vorgängig haben wir uns die Spezialerlaubnis eingeholt, um in Tanna – in der Bucht von Port Resolution einklarieren zu dürfen; normalerweise ist hier kein POE (Port of Entry). Als wir die Bewilligung erhalten, segeln wir los. Nun sind wir da und staunen, wie viele Segelschiffe hier sind. Das haben wir nicht erwartet.
Unterwegs, auf der Überfahrt, haben wir uns schon gefragt, warum wir so viele andere Segler antreffen; normalerweise sehen wir selten jemand, diesmal sind es rund sieben Mitsegler! Jetzt wissen wir es: Die ARC WORLD ist da. Da haben wir etwas verpasst – normalerweise studieren wir den Fahrtenplan der ARC, um ein Treffen zu verhindern. Der grosse Haufen an Schiffen gleichzeitig an einem Ort privilegiert sie stark und wir normalen Segler dürfen dann lange warten, bis wir drankommen, stehen abseits. Das spüren wir nun. Alle ARC-Schiffe konnten einklarieren, als wir dran sind, ist der Customs und Immigration schon wieder weg.
Das Einklarieren ist schwierig, denn die Offiziellen müssen vom Hauptort Lenakel her anreisen. Ein Weg auf Naturstrasse dauert rund zwei Stunden. Das tun sie nur nach Absprache mit der Kontaktperson Stanley hier vor Ort. So suchen wir ihn und er organisiert für die neu angekommenen Schiffe das Einklarieren. Vorerst sind wir also illegal an Land. Aber wir dürfen uns frei bewegen – und das tun wir auch und es tut gut.

Endlich da.
Stanley ist der Kontaktmann zwischen den Yachties und den Behörden.
Erster Kontakt mit der Bevölkerung. Frage nach Hilfe – Segler sind da willkommen. Sie haben selbst nicht viel.
16 Segelboote der ARC WORLD, 6 Segelschiffe solo. Wir sind froh, ist die Bucht so gross.
Yachtclub.
Nein, keine Angst, wir bleiben nicht hier. Hütte ist leider kaputt.
Hier am Strand treffen Welten aufeinander. ARC – living-a-boards – Melanesier. Dinghy und Pirogen…
Damit fahren sie raus aufs Meer zum Fischen.
Gebaut aus dem Holz des Brotfruchtbaumes.

Das Dorf ist sehr urchig, überall stehen locker verteilt sehr einfache Hütten im traditionellen Baustil. Geflochtene Wände aus Pandanuss/Bambus oder Holz/Plastik/Wellblech mit Palmblattdächern. Nur einzelne Häuser sind gemauert, so zum Beispiel die Schule. Sie hat auch die Schutzfunktion bei Hurrikans. Das letzte Mal traf es Vanuatu diesen März 2023 mit zwei aufeinanderfolgenden Zyklone Judy und Kevin (innerhalb 48 Stunden!). Sie haben hier in Vanuatu viel zerstört. Alle Bananenstauden und viele Palmen sind umgeknickt und vernichtet worden.

Die Menschen sind nicht mehr Polynesier, sondern Melanesier. Sie haben viel breitere Nasen, eine dunklere Haut, sind nicht so gross, feingliedrig und haben sehr krauses Haar (manchmal fast blond). Sie alle sind sehr liebenswürdig, freundlich, lachen und grüssen und winken immer. Sofort fühlen wir uns wohl. Auch die Kinder – überhaupt nicht aufdringlich, sondern etwas scheu, sehr interessiert und offen.

Tanakasori – Danke. Die Kleinen freuen sich, wenn wir versuchen ihre Sprache zu sprechen. Bild RR.
Zurückgesetzt in der Zeit.
Interessante Konstruktion. Auch mobile kleine Solarlämpli liegen überall zum Auftanken. Bild RR.
Verhutzelte Bäume – die waren dem Hurrikan ja arg direkt ausgesetzt.
Solche einfache Hütten fallen natürlich schnell zusammen.

Gemauertes hält etwas länger.

Nach ein paar Tagen dürfen wir endlich einklarieren. Das Prozedere wird im Yachtclubgebäude vorgenommen. Gebäude ist jetzt etwas übertrieben: eine kleine einfache Hütte dient als Küche und Bar, darüber ein grosses Dach, welches Sitzplätze und Schatten bietet. Der Rest ist offen. Absolut basic. Alles geht rasch voran und schon haben wir unsere Stempel im Pass und ein paar Dollarnoten weniger. Mit Vatu, der lokalen Währung, können wir nicht zahlen, denn hier gibt es keinen Bankomaten. So muss halt der Dollar zu einem sehr schlechten Wechselkurs hinhalten. Gut für die lokale Behörde, schlecht für uns Segler!

Wir haben kein Internetzugang, keine SIM-Karte. Die bekommt man auch nur in Lenakel, im Hauptort. Ein paar Segler reisen mit den Beamten zurück nach Lenakel um Geld zu holen. Sie bringen uns auch was mit, aber leider keine SIM-Karte! So müssen wir uns halt noch etwas gedulden – diese Zwangspause tut uns gut.

Am Sonntag haben wir uns für eine organsierte Tour zum aktiven Vulkan Yasur (361 m) angemeldet. Leider ist es zum Laufen etwas zu weit. Und da wir inzwischen viel an Kondition verloren haben, wählen wir diese Tour, obwohl das Wandern uns sehr gefallen hätte. Eigentlich wollten wir schon am Samstag gehen, aber da waren plötzlich so viele andere Segler und sogar ein paar, die sich etwas unfair voran geschoben haben, dass wir uns entschlossen, zusammen mit einem anderen Pärchen eine eigene Tour am Sonntag zu organisieren. Und das klappt dann auch und das Wetter meinte es erst noch viel besser mit uns.

Mit einem Pick-up werden wir zur Kontrollstation gefahren. Zuerst werden wir zu einem Sicherheitscheck beordert, die Vorsichtsregeln werden erläutert. Anschliessend geht es mit sieben Geländewagen den Berg hoch; es sind noch andere Touristen eingetroffen. Es ist faszinierend, wie vor allem asiatische Touristen dazu erscheinen – mit Flip Flops und in langen Kleidern! Der Weg ist steil und die «Strasse» sehr holprig und tricky zum Befahren. Der Regen wäscht die Fahrbahn aus, es bleiben tiefe Gräben und Löcher. Oben auf dem Vulkan angekommen, wird auf einer weiten Ebene geparkt – durch die Asche des Vulkans ist der Boden grau und sandstaubig.
Nun dürfen wir endlich zu Fuss weiter. An den Kraterrand. Wir hören den aktiven Vulkan rumpeln und fauchen. Es ist noch hell, bald geht die Sonne unter. Es wird mystisch und spannend. Je dunkler es wird, umso mehr sehen wir die glühendrote spukende Lava im Schlund des Vulkans. Wow! Immer wieder gibt es heftige Eruptionen, entweder Lavafontänen, die aus dem tiefen Loch hochschiessen, oder dunkelgrauer Dampf, der hochgeschleudert wird, zusammen mit ein paar Lavabrocken; sie fallen hörbar auf den Boden zurück. Wir stehen alle da, staunen, geniessen, hören zu und lassen es in uns wirken. Natürlich werden viele Fotos gemacht und wir hoffen nur, dass keiner abrutscht und runter in den Vulkan fällt. Es ist nirgends eine Absperrung, nur der offene Abgrund. Jeder muss auf sich selbst achten. Es ist kalt, der Wind pfeift um unsere Ohren.
Still und mächtig beeindruckt fahren wir zu unseren Schiffen zurück – das war wirklich schön, ein sehr besonderes Erlebnis.

Jetzt sehe ich ihn bald, bin ja so gespannt auf den Vulkan! Bild RR.
Jetzt nur noch umdrehen!
Die Ranger geben Acht, beobachten und mahnen.
Here we go! Seit mindestens 800 Jahren ständig aktiv!
Ich bin hin und weg – Bild RR.
Es ist unmöglich, diese Faszination auf Bildern zu euch rüberzubringen. Es ist ganz speziell!

Leider wird unser Aufenthalt etwas von dem Tod eines 54-jährigen Mannes in Port Resolution überschattet. In der Nacht erhielt er eine Herzattacke – nach der langen Fahrt nach Lenakel ins Central Hospital starb er doch. Wir kriegen alles mit, sind mittendrin. Auch wir sind bestürzt und traurig. Wir sehen, wie sie in Lenakel Holz besorgen, zwei riesige Sperrholzplatten, und damit im Dorf einen Sarg zimmern. Die Beerdigung findet gleich am Dienstag statt, einen Tag nach seinem Tod. Drei Tage dauert dieses Abschiednehmen, die Schulen bleiben geschlossen.

Am Montag fahren wir mit Stanley nach Lenakel. John mit seinem Pick-up fährt uns. Die Fahrt dauert auf der Naturstrasse zwei Stunden. Es geht mal langsam, mal etwas schneller vorwärts, quer durch das dichte Grün, vorbei am Fusse des Vulkans, über seine Asche und quer über die öde Ebene. Weiter durch einen kleinen Fluss und über einen kleinen Berg. Wir sitzen mit ein paar Einheimischen hintendrauf, werden gut durchgelüftet und geschüttelt. Da viel Gepäck mit uns fährt, haben unsere Beine und Füsse etwas wenig Platz – mit viel gemeinsamem Humor geht alles besser! Die Fahrt ist sehr spannend. Erstens der Zustand der Strasse, der Fahrer muss da einiges leisten, und weiter die vielen Menschen am Strassenrand, entweder laufen sie barfuss dem Weg entlang oder sitzen herum und winken fleissig.

Dichtgedrängt, nur irgendwo festhalten und versuchen, sich nicht zu fest zu verkrampfen!
Das Aschefeld des Vulkans. Etwas rutschig.
Mount Yasur grüsst.
Meine beiden Sitznachbarn.
Regnen tut’s auch noch…

Der Hauptort selber ist sehr quirlig, wenn auch nicht so gross wie erwartet. Hier treffen sich alle Menschen von der Insel, um einzukaufen. In der Nähe ist der Flugplatz. Es ist ein Kommen und Gehen, der Markt ist gross und sehr bunt. Wunderschön. Schnell kaufen wir so viel frisches Gemüse wie möglich, Obst finden wir leider nicht so viel. Da die Bananen zerstört wurden, ist auch nicht viel anderes verfügbar; ein paar Pampelmusen. Dann endlich die SIM-Karte – oh wie schön (und wichtig > Wetter), sind wir wieder mit der Welt verbunden!
Jetzt kurz ein Mittagslunch in einer der kleinen Snackbars. Omeletten mit etwas Gemüse und Reis ist hier überall verfügbar. Um Eier zu ergattern, ist allerdings etwas Suchen in den vielen kleinen Läden angesagt. Als wir dann alles gefunden haben, warten wir auf den Pick-up mit John. Das dauert eine ganze Weile, wir stehen im Staub am Strassenrand und gucken den Menschen hier zu. Kontakt zu kriegen ist nicht schwer, man spricht sich einfach an. So ist das Warten sehr kurzweilig.

Markt – jedes Mal eine besondere Stimmung. Hier quirlig, bunt.
Waiting for the transport.
Auf dem Rückweg dürfen wir vorne sitzen. Was nicht heisst, dass es viel bequemer ist!!

Hier in Port Resolution, wo unsere Ankerbucht ist, gibt es genau zwei Restaurants.
Leah mit einer kleinen Hütte und Küche, einen grossen Tisch drinnen und einen vor der Hütte unter der Plastikplache. Sie bereitet uns ein Buffet mit Taro, Kürbis, Süsskartoffeln, Bohnen, Reis, Omelette mit Gemüse. Sehr fein. Und sie ist echt süss, setzt sich nach dem Essen zu uns, um mit uns zu plaudern. Sie lebt allein mit ihren vier Kindern.

Das zweite Restaurant liegt am Strand auf der Ostseite. Voll im Wind. Der Strand ist nicht schwarz hier sondern weisser Sand. Sehr schön und wild – die Wellen tosen. Bei weniger Wind kommen sie alle hierher zum Surfen. Doch momentan ist der Wind viel zu stark, keine Chance.
David ist der Gastgeber. Seine Hütte ist ein Holzgerüst mit Plastikplache als Dach, die beiden Seitenwände schützen etwas vor dem starken Wind. Darunter ein langer Tisch. That’s all. Das Essen ist wieder ein Buffet, diesmal mit Rindfleisch Stew, Taro, Kürbis, Süsskartoffeln, Bohnen und einem Kabis-Rüeblisalat (mega lecker), dazu Limonade. Hier darf man sein Getränk auch mitnehmen und so gönnen wir uns Bier für die Männer und Rotwein für die Frauen.

Wir, das sind die Crew von LYDIA M, Vero&Javier aus Spanien, und wir beide von der PASITO. Viele herzliche Gespräche entstanden zwischen uns. Ein spannender Austausch, wir haben es sehr gut miteinander. Die beiden werden weiter nach Port Villa segeln, wir nach New Caledonia. Dort wollen wir uns dann wieder treffen.

Ostküste im Wind.
Chez David.
LYDIA M and PASITO.
Was für eine Abend!
Chez Leah.

Noch eine letzte Wanderung, wir laufen dem Strand entlang rund um die Bucht, den Hügel rauf und auf einem schmalen Pfad quer durch das Dickicht. Es ist wunderschön. Eigentlich wäre das Ziel Ipikel, dort ist die Sulphur Bay mit ihren schönen Verfärbungen durch den Schwefel, daneben der Ort Lamakara von den Anhängern des John Frum (John Frum ist eine religiöse Bewegung. Sie entstand als Gegenbewegung zu christlichen Missionierungsaktivitäten). Doch es ist weit und wir bleiben in einem klitzekleinen Dörfchen hängen. Dort quatschen wir mit David, er gibt uns auf dem Rückweg etwas Süsskartoffeln und Kürbis mit.
Wir könnten auch weiter laufen – vielleicht nimmt uns ein Auto mit zurück nach Port Resolution. Doch das ist wegen den grossen Distanzen und so spontan eher unwahrscheinlich. Dann müssten wir den langen Weg zu Fuss zurück. Und beim Eindunkeln finden wir den Weg nicht mehr durch den grünen Dschungel. So lassen wir es lieber bleiben. Wir hätten viel früher am Morgen starten müssen.

Die Kinder freuen sich immer, wenn Fremde auftauchen.
David nimmt sich viel Zeit für uns und erzählt von seinem Dorfleben.
Seine Mutter. Sein Sohn.

Das Wetter bereitet uns Sorgen. Es ist viel Wind, Winddreher, Regen und hohe Wellen angesagt. Das wird sehr unangenehm hier in der Bucht. Vor allem rollig, das Schiff wird wohl sehr stark hin und herschaukeln. Aber eine Alternative gibt es nicht. Wir sind eigentlich auf dem Sprung nach New Caledonia, doch nun müssen wir einmal mehr warten, bis das Unwetter vorbei ist.

Ein letzter Gruss an Vanuatu – es war schön bei euch.

Bye.

zurück